42,2 Kilometer – genauso lang misst der Marathon. Die Allerschnellsten machen ihn in knapp über 2 Stunden. Die meisten sind etwa doppelt so lang unterwegs. Der Besenwagen kommt bei denen ins Spiel, die an die sechs Stunden auf dem Asphalt gegen die Ermattung kämpfen – und irgendwann vom Bus eingesammelt werden. Der allererste Marathonläufer überhaupt kam am Ziel gar nicht an. Als der griechische Bote Pheidippides 490 vor Christus nach Sparta eilte, um Hilfe gegen die drohende Unterwerfung Marathons zu holen, verstarb er unmittelbar bei Erreichen der Stadt. Zu groß waren die Strapazen seines Laufes. Nach seiner Tragödie wurde später der moderne Marathon benannt. Da stellt sich die Frage, ist eine solche Distanz, bei der jeder vernunftbegabte Mensch normalerweise das Auto, die Bahn oder zumindest das Fahrrad nutzt, überhaupt gesund?

Wer läuft lebt länger

Zählt man alle großen und kleinen Laufveranstaltungen in Deutschland zusammen, kommt man grob geschätzt auf etwa 2,5 Millionen Starts (Zahl der Starter ist kleiner. Viele treten mehrfach an.). Nur ein Bruchteil von ihnen wagt sich an die 42-Kilometer-Distanz. Laut inoffiziellen Statistiken sind es nur wenig mehr als 100.000 Läufer, die regelmäßig den Marathon machen. All den Bewegten (allen!) kann man aus gesundheitlicher Perspektive nur gratulieren. Sie tun das richtige, um gesund alt zu werden. Zumindest steigern sie die Wahrscheinlichkeit dafür erheblich. Bewegung ist neben gesunder Ernährung die beste Prävention gegen die großen Volkskrankheiten. Es ist inzwischen immer besser belegt, dass zu einem sehr großen Anteil nicht unsere Gene oder schlicht das Schicksal dafür verantwortlich, ob wir erkranken oder nicht, sondern unser eigener Lebensstil. Dass Diabetes Typ 2 und Herzkreislauferkrankungen mit Bewegung in Schach gehalten werden können, ist hinlänglich bekannt. Viele wissen aber nicht, dass aktiv sein auch gegen Depressionen und Krebsarten wie beispielsweise Brust- und Darmkrebs ein goldrichtiges Rezept ist. Insofern: laufen, laufen, laufen. Schnell, langsam, gehen, egal, regelmäßig bewegen, darum geht es.

Geh laufen! Verzichte auf den Marathon

Und jetzt zum Contra: 42 Kilometer laufen, am Stück, auf Asphalt, womöglich bei großer Hitze – das ist ungesund! Der Verschleiß für Gelenke, Knochen, Knorpel ist enorm hoch. Viel schlimmer noch: die Niere kann während des Laufs so stark belastet werden, dass der Zustand einem akuten Nierenversagen gleicht. Das Herz kann geschädigt werden und auch lebensbedrohliche Hirnödeme, sowie Finger- und Beinödeme können auf solche Mammutdistanzen durch die so genannte Hyponatriämie folgen (Das für unseren Stoffwechsel wichtige Natrium wird über das Schwitzen verloren und durch vermehrtes Trinken noch zusätzlich verdünnt.). Stellt man diesen furchtbaren Szenarien die positiven Effekte gegenüber, wird die Rechnung kaum besser. Denn all die Vorteile – ,besserer Herz-Kreislauf, mehr Muskulatur für den Grundumsatz, Stärkung der Knochendichte, bessere Ausdauer und Belastung, verbesserte Durchblutung sämtlicher Organe mit mehr Sauerstoffaufnahme und höherem Energiestoffwechsel, kräftigeres Immunsystem, eine angeregtere Verdauung – all diese Verbesserungen lassen sich bei einer Distanz von deutlich über 20 Kilometern nicht mehr wirklich steigern. Der Marathon ist in der zweiten Hälfte also nur noch wie eine Pille ohne Wirkung, auch Placebo genannt. Man glaubt an einen Effekt, der aber gar nicht da ist.

Stellt sich die Frage: Was tun die gut 100.000 Marathonis ihrem Körper eigentlich an? Sind die von allen guten Geistern verlassen? Wie immer im Leben, auch hier gibt es das aber. Man muss schon relativieren – und zwar stark. Viele von den 42-Kilometer-Läufern sind Mehrfachtäter, laufen seit Jahren die Mammutdistanz oder haben sich über viele Jahre dahin entwickelt. Sie kennen ihren Körper, sie wissen um ihre Belastungsgrenzen, sie haben ihre Erfahrungen, wie sie sich vor und während des Laufs individuell optimal versorgen müssen. Diese Supererfahrenen können und sollen weiter Marathon laufen, sie haben sich und die Distanz im Griff. Wer allerdings heute von der Couch aufsteht und in einem halben Jahr bei den 42 Kilometern antritt, der ist geradezu lebensmüde. So muss man es nennen. Du brauchst viel Zeit, Jahre, jede Woche Training, um Dich vom Nicht-Läufer zum 42-Kilometer-Hero zu entwickeln. Natürlich kann es bei dem einen schneller gehen, bei dem anderen langsamer. Je nach der individuellen Präposition: Bist du vortrainiert, welche Statur hast du, welche Kondition? All das entscheidet mit, wie schnell du dich entwickeln kannst. Unter dem Strich aber bleibt: es dauert sehr lange, bis man Marathon gesund bewältigen kann.

Nur den Marathon nimmt man ernst – und trainiert

Und da sind wir schon bei dem, was vor dem eigentlichen Lauf passiert, dem Training. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, sich wöchentlich 150 bis 300 Minuten zu bewegen, mäßig bis schnell gehen oder laufen. Obendrein solle man zweimal wöchentlich seine Hauptmuskulatur trainieren. Das macht man nicht gerade im Handumdrehen, zumal es neben all dem Gesundheitssport ja auch noch ein anderes Leben gibt, das organisiert werden will. Wenn ich mich also an die WHO halte und diese Woche voll durchziehe, nächste Woche auch noch. Übernächste Woche, nicht mehr ganz so … Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass meine riesige Anfangsmotivation ziemlich schnell auf der Strecke bleibt.

Und damit wenden wir die ungesund negative Bilanz des Marathons jetzt ins positive. Endlich! Wer sich für den Marathon anmeldet, der hat meistens den nötigen Respekt vor der Distanz – und trainiert. Nicht ein, nicht zwei oder drei Wochen. Er zieht das Programm über Monate hinweg durch, den intensiven Part oft über vier Monate. Die WHO hätte seine helle Freude mit ihm, da er die Empfehlungen nicht nur einhält, sondern in vielen Wochen deutlich übertrifft. Und selbst, wenn die vier intensiven Monate noch nicht angebrochen sind, wird er sich in Bewegung halten – und zwar ordentlich.

Gut, auch den Halbmarathon macht man normalerweise nicht schlafwandelnd. Auch dafür muss man ran, sollte bestenfalls dreimal pro Woche unterwegs sein (langer, langsamer Lauf; Intervalltraining; Tempolauf). Aber hierfür sind keine vier Monate nötig. Man kriegt das schneller hin. Und damit schneiden wir von der Langzeitmotivation – intensives Training weit über ein halbes Jahr hinweg – schon wieder ein deutliches Stück ab. Und deshalb hier das eindringliche Plädoyer: den Marathon sollte man ob seiner gesundheitlichen Wirkung nicht nur am Wettkampftag selbst bewerten. Nicht nur zwischen Startschuss und mit letzter Reserve ins Ziel laufen. Man sollte unbedingt das Training mit einbeziehen. Und hier dreht sich die Gesundheitsbilanz deutlich ins Positive!

Ja, nein, was denn nun?

Nein, ja, nein, ja. Der Marathon ist aus gesundheitlicher Perspektive schlecht. Der Marathon ist aus gesundheitlicher Perspektive gut. Ja, was denn nun?

Beweg dich! Bitte über einen möglichst langen Zeitraum. Um das zu schaffen, brauchst du extra Motivation. Die Anmeldung für eine Laufveranstaltung in einem halben Jahr kann genau das sein. Je größer die avisierte Distanz ist, desto respektvoller wirst du frühzeitig ins Training einsteigen. Fakt ist aber auch: Füße weg vom Marathon, wenn du noch frisch in dem Sport bist. Das ist wahnsinnig gefährlich! Als Fernziel mit vielen, sich steigernden Distanzen dazwischen, allerdings ist das ein hehres Ziel!